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Warnung der Bevölkerung per Social Media?

Alarmierung per Social Media Die sozialen Netzwerke erfüllen für die Polizeiarbeit viele Optionen. Unter anderem auch die Warnung der Bevölkerung in kritischen Lagen. Hier erfahren Sie, warum Social Media ein fester Bestandteil der Polizeiarbeit sein muss und welche Möglichkeiten die Alarmierung per Smartphone bietet, aber auch welche Fallstricke sie birgt.

Die zunehmende Digitalisierung bedeutet auch für die Polizei und andere Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) einen Umbruch. Mit dem Web 4.0 sind neue Technologien zur Kommunikation entstanden. Über Social Media kann die Bevölkerung noch umfassender in Netzwerken kooperieren. Dieses von Aktualität und Interaktion geprägte Medium sollte natürlich auch für die Warnung und die Informationsverteilung in kritischen Lagen genutzt werden. Wichtig ist zudem, dass die Technik per Social Media analog zu anderen Systemen genutzt wird. Interne Einsatzkräfte sollten weiterhin per Pager und andere Mittel erreicht werden. Die Bevölkerung sollte zudem über Radio und Fernsehen über einen Einsatz informiert werden.

BOS und vorneweg die Polizeibehörden haben Social Media bereits fest in die externe Kommunikation aufgenommen. Die sozialen Netzwerke bieten so ein weiteres Standbein neben der klassischen Presseberichterstattung. Großer Vorteil der Postings sind deren hohe Reichweite und vor allem das schnelle Teilen einer Meldung mit der Bevölkerung.

Unterschiede zwischen den sozialen Kanälen

Im Umfeld der Polizeiarbeit sind momentan vor allem zwei Kanäle relevant: Facebook und Twitter.

Der Facebook-Algorithmus analysiert …

  • die durchschnittliche Zeit, die ein Nutzer damit verbringt, sich den Beitrag anzusehen.
  • die Art des Beitrags. Handelt es sich beispielsweise um ein Status-Update, einen Beitragslink oder ein Live-Video?
  • den Informationscharakter der Meldung.
  • die Rückmeldungen. Wie oft klicken User auf „Gefällt mir“ und wie viele Kommentare werden hinterlassen?

Der Twitter-Algorithmus analysiert …

  • die Aktualität des Tweets sowie die Interaktionen mit der Meldung.
  • die Absender des Tweets. Auch vergangene Interaktionen werden bewertet.
  • die Empfängergruppe. Welche Inhalte und Themen sind für den Betrachter relevanter?

Seither gilt Twitter-App als echtzeitgetriebenes Netzwerk. Nachrichten werden weniger gefiltert als bei Facebook, was häufig dazu führt, dass die Meldungen falsch platziert werden. Daher nutzt auch die Polizei die Kanäle unterschiedlich. Facebook dient somit mehr als PR-Maßnahme sowie zur Unterhaltung der User, aber eben auch um z. B. Präventionskonzepte vorzustellen, die einen längeren Einfluss haben. Twitter hingegen wird genutzt, um Warnmeldungen und aktuelle Ermittlungsergebnisse zu einem Einsatz zu teilen.

Herausforderungen im Umgang mit Social Media bei der Polizeiarbeit: „Erst nachdenken, dann posten!“

Social Media sind ein Medium mit weniger Hierarchien als die Polizeibehörden haben. Nachrichten müssen schnell verteilt werden, aber ein sicherer Umgang damit ist ebenso wichtig. In Zeiten von Fake News ist es wichtiger denn je, vertrauensvolle Kanäle für den News-Feed zu haben. Bevor eine Meldung der Polizei ausgespielt wird, müssen drei Aspekte im Kollektiv abgeklärt sein:

  1. Was ist der eigentliche Inhalt der Meldung?
  2. Welche Details können rausgegeben werden?
  3. Wie kann die Meldung rausgehen (argumentativ)?

Bei kritischen Lagen muss das Vertrauen innerhalb der Behörden besonders gegeben sein, da sofort reagiert werden muss. In dieser Zeit werden viele Informationen von Privatpersonen geteilt und Tatsachen so rasch verfälscht. Die Menschen brauchen dann eine verlässliche Quelle.

Das Ziel der Behörden ist es nicht, als Erstes Nachrichten zu teilen. Im Grunde muss ein Mittelweg gefunden werden zwischen Schnelligkeit und Feststellung der Tatsachen.

Wichtig ist auch die Reflexion der Meldungen während einer Katastrophe. Diese sollte vom Polizeiführer durchgeführt werden. Somit können Meldungen im Nachhinein im Team erörtert werden und durch Lernen wird das Vorgehen weiter optimiert.

Nicht jede Information darf veröffentlicht werden. Stellen Sie sich immer die Fragen: Will ich den Straftäter informieren? Will ich die Einsatzkräfte unnötig in Gefahr bringen? Will ich Ängste bei anderen Bürgern schüren? Will ich unnötig Gaffer an den Einsatzort locken?

Wenn Sie eine dieser Fragen im Vorfeld mit Ja beantworten, sollten Sie nicht auf „Senden“ drücken.

Reichweite und Abstimmung mit anderen Behörden

Zuerst einmal müssen Polizeibehörden sehr aktiv in den sozialen Medien sein, um sich ein Netzwerk aufzubauen. Vertrauensaufbau ist wichtig und benötigt vor allem Zeit. Diskussionen müssen immer auf Augenhöhe stattfinden. Als vertrauensschaffende Maßnahme gilt auch, klar zu argumentieren, dass Ursachen noch ungeklärt sind und Ermittlungen noch laufen. User sollen sich nicht aus dem Pool an Falschmeldungen bedienen, sondern auf verlässliche Informationen warten.

Auch die Abstimmung zwischen den Leitstellen ist wichtig. Ungereimtheiten werden so schnell aufgedeckt. Die Frage, wer bei Fall XY federführend ist, muss sicher geklärt sein, bevor ein digitaler Alarm an die Öffentlichkeit gegeben wird. Hierfür werden Konzepte von jeder Stelle erarbeitet und mit den relevanten Behörden abgestimmt.

Fazit: Social Media sind ein wichtiger Kanal, aber nur einer von vielen.

Messenger-Systeme sind kein Standard in den Behörden und müssen speziell entwickelt werden. WhatsApp und andere Messenger sind aus Datenschutzgründen als kritische Technik einzustufen.

Zur Warnung der Menschen (vor allem im Hinblick auf die ältere Bevölkerung) spielen auch weiterhin klassische Medien wie Fernsehen und Radio eine wichtige Rolle. Für die Alarmierung professioneller Einsatzkrräfte hat die Polizei München einen Alarmierungsserver mit allen Festnetz- und Mobilfunknummern von Kollegen und Journalisten in Benutzung und ist eng mit den Presse- und Leitstellen von Feuerwehr und Rettungsdienst verbunden.

Das Multichannel-Konzept MoWaS von Bund und Ländern für die Warnung der Bevölkerung ist richtig und sollte auch umgesetzt und weiter entwickelt werden.

Mehr als eine Überlegung ist es wert,einen separaten, vom Internet, Apps und Social Media abgekoppelten Kanal des Vertrauens ("Trustchannel") zu den verbündeten Vertrauensträgern vor Ort zu haben.

Nur wenn die digitale Warnung über möglichst viele Medien veröffentlicht wird, werden die meisten Menschen erreicht, was im Ernstfall Leben retten kann.

Schauen Sie sich jetzt das Interview zum Thema "Social Media und andere Kanäle zur Warnung der Bevölkerung" an!

Werner Feiler, Vizepräsident der Polizei München, spricht im Interview über die Zukunft von Social Media und anderen Kanälen wie z. B. Digitalfunk im Umfeld der BOS und darüber, wie wichtig Absprachen und einheitliche Lösungen zur Warnung und Alarmierung sind. 
 
Zum Interview

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