Sehr konstruktiv und (noch) ohne Wirbelsturm verlief vom 29.09. bis zum 30.09.2016 das Treffen der Critical Messaging Association (CMA) in Orlando, Florida. Vortragende und Auditorium kamen aus den USA und Europa.
Der Organisator war die CMA-Americas.
Wie jedes Jahr sprach zum Auftakt ein Nutzer von kritischem Messaging. Dieses Mal John Mulhall vom Landkreis (County) ringsum Orlando, vom Orange County und seiner Feuerwehrabteilung. John ist dort verantwortlich für die rechtzeitige Warnung der Bevölkerung. Bei uns würden wir sagen: Multichannel. Er nutzt alle Kanäle, um an die 1,1 Millionen Einwohner des County rechtzeitig Meldungen absetzen zu können. Sich auf eines – zum Beispiel das SmartPhone – zu verlassen wäre auch gefährlich. Dazu muss man auch wissen, dass Orlando südlicher als Kairo leigt – also auch nicht nur das Wetter wie Berlin hat. Der Hurrikan Matthew hat es wieder bewiesen. Also, genug Anlässe zum Warnen. Immer wieder der selbe Eindruck: An welchem Platz auch immer die US-amerikanischen Messaging-Nutzer Verantwortung tragen: Fast jeden könnte man sofort im Vertrieb einstellen. Redegewandt und engagiert.
Besonderen Eindruck machte auch der Vortrag von Jenna Richardson. Sie ist mehr als 20 Jahre in der Paging-Industrie und sprach für den zweitgrößten US-Betreiber American Messaging. 90% der zum Teil sehr großen Krankenhäuser in den USA nutzen Paging-Dienste, meist von den nationalen Betreibern oder denen vor Ort. Sofort gleichzeitig viele zu erreichen, die Zuverlässigkeit und auch der niedrige Stromverbrauch der Endgeräte sind Argumente dafür. Mit der Tendenz „BYOD“ (bring your own device ... mein Handy mit in die Firma / Krankenhaus) gibt es neue Herausforderungen. Die CMIOs (Chief Medical Information Officer) wissen aber genau, dass Betriebssicherheit, Einheitlichkeit und Verlässlichkeit des Dienstes das schönste Handy nicht toppen kann. Einige Betreiber – so auch American Messaging – sind dazu übergegangen, zusätzlich zum Paging-Abo auch eines für eine Handy-Spezial-App anzubieten. Quasi inklusive. Paging wird jetzt nicht etwa weniger, sondern mehr genutzt
Auch Kirk Alland und Tim Meenan von Unication USA berichteten über neue Entwicklungen. Besonders wird der jetzt auch in den USA immer stärker werdende Trend zur Beachtung von Persönlichkeitsrechten – auch in den Krankenhäusern – unterstützt. Mit neuen Produkten.
Harald Pfurtscheller von Swissphone aus der Schweiz sprach über den großen Erfolg des BlackOut-Tages in Zürich. Auch der Autor des gleichnamigen Buches, Marc Elsberg, war dort anwesend. Und vermutlich alle Anwesenden verstanden noch besser was Redundanz bedeutet. Wenn wir überall auf eine zusätzlich absichernde Lösung setzen, im Mobilfunk uns aber ausschließlich auf Handy-Netze oder Tetra-Netze verlassen würden, hätten wir im Nu single Point of Failure, ein Riesenklumpenrisiko.
Zu dem Schweizer Vortrag passte einer aus Belgien. Jeder, der sich für Ausfallsicherheit und Lehren aus praktischen Vorfällen beruflich interessieren muss und nicht dabei war, hat etwas verpasst. Wir können uns nicht erinnern, solch einen ehrlichen Vortrag zum Thema gehört zu haben. Er ist wohl diese Woche beim Nutzertag der ASTRID-Nutzer (ASTRID ist der BOS-Digitalfunk in Belgien) teilweise wiederholt worden. Einige Schlussfolgerungen aus den Erfahrungen des Terror-Anschlags vom 22. März 2016 in Brüssel: Paging funktionierte 100%. Der „Bluelight“ genannte speziell unter anderem durch drei SIM-Karten abgesicherte Betrieb des Handy-Netzes funktionierte 3 Stunden lang kaum und weitere 5 Stunden lang auch nur eingeschränkt. Wer sich nicht vor 9 Uhr – also vor den Anschlägen eingelockt hatte – konnte keine Warnapp mehr nutzen. Auch Tetra funktionierte aus verschiedenen Gründen nur sehr sehr eingeschränkt. Jetzt möchte man mehr Geld von der Regierung, um weiter auszubauen. Aus den gezeigten mathematischen Berechnungen ging aber auch klar hervor, dass man mit keinem Geld der Welt Technologiebesonderheiten beheben kann. Tetra auch für die Alarmierung der Feuerwehren zu nehmen, fand der Kollege schon aus Lastgründen eine überraschende (ich glaube auch, absurde) Idee. Die bereit stehende mobile Tetra-Zelle, die in Grenzen für örtliche Entlastung hätte sorgen können, konnte nicht zum Einsatzort gebracht werden: Das benötigte Begleitkommando der Sicherheitskräfte hatte verständlicher Weise anderes zu tun.
Jurgen Poels, auch von Astrid aus Brüssel, berichtete über den Fortschritt bei der Erneuerung des landesweiten Paging-Netzes von Astrid. Durch Thales (Belgien/Frankreich) und Infostream (Australien, besonders aktiv auch im dortigen Staat Victoria) wird das Netz noch dieses Jahr migriert. Zukunftssicheres Paging wird von einem ähnlichen Konsortium auch in den Niederlanden renoviert.
Ausführliche Diskussionen gab es auch zur Regulierung und zur Standardisierung. Ein regelrechter Zusammenarbeitsschub wird den Round-Table-Diskussionen zum Thema der Standardisierung folgen. Erste Aktivitäten über viele Ländergrenzen hinweg gab es schon in den ersten Tagen nach Orlando.
Ganz viele Anzeichen also, auf die hohe Funktionalität und den Praxistest in den schwierigsten Umgebungen – vom Wirbelsturm bis hin zum Terroranschlag von Messaging-Systemen, insbesondere zusätzlichen und separaten wie Paging, zu bauen.
Dietmar Gollnick von e*Message aus Frankreich und Deutschland rief in seinem Beitrag dazu auf, nicht nur sicher zu liefern und guten Service zu beweisen, sondern auch mehr darüber zu sprechen. Für die Branche neue Informationskanäle auch der sozialen Medien bieten sich dazu an. Dies auch deshalb, weil es in den Unternehmen der Branche kaum Hierarchie-Sand im Informationsgetriebe gibt oder geben kann. Was die ganz großen – und manchmal nicht so flexiblen – nicht können, ist schnell zu reagieren. Ohne komplizierte innerbetriebliche Abstimmungsprozesse. Wer mal sehen möchte wie das funktioniert, kann auch in Twitter schauen.
Viele weitere Hinweise zum inhaltsreichen Welt-Summit der CMA in Orlando, weiterführende Informationen, eindruckgebende Fotos und anschauliche Folien finden sich bei Twitter unter dem Hashtag #CMASummit16
Bitte, lesen und gern auch etwas schreiben.
Anke Lüders-Gollnick